Heinrich Heine: Mein Herz, mein Herz ist traurig

 

Mein Herz, mein Herz ist traurig,

Doch lustig leuchtet der Mai;

Ich stehe, gelehnt an der Linde,

Hoch auf der alten Bastei.

 

Da drunten fließt der blaue

Stadtgraben in stiller Ruh`;

Ein Knabe fährt im Kane

Und angelt und pfeift dazu

 

Jenseits erheben sich freundlich

In winziger, bunter Gestalt,

Lusthäuser und Gärten und Menschen

Und Ochsen und Wiesen und Wald.

 

Die Mägde bleichen Wäsche,

Und springen im Gras herum;

Das Mühlrad stäubt Diamanten,

Ich höre sein fernes Gesumm.

 

Am alten grauen Turme

Ein Schilderhäuschen steht;

Ein rotgeröckter Bursche

Dort auf und nieder geht.

 

Er spielt mit seiner Flinte,

Die funkelt im Sonnenrot,

Er präsentiert und schulter-

Ich wollt er schösse mich tot.

 

Heinrich Heine; Die Heimkehr; 1823

 

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